So gründet man eine Band...
   
     
Auftritt in Wiesbaden Westernsaloon 1966



Die Gründung
Angefangen hatte alles mit einer Big-Band-Probe in der Aula der Leibnizschule, in die Hans-Jürgen zufällig hineinplatzte. Klassenkamerad Bernd Hassenpflug war dort Schlagzeuger und es faszinierte ihn, wie jemand mit Händen und Füßen zur gleichen Zeit völlig unterschiedliche Bewegungen machen konnte. Hans-Jürgen durfte nach der Probe einmal ans Schlagzeug, es funktionierte auf Anhieb und seine Zukunft war vorbestimmt: "Du wirst Schlagzeuger". Tage später schlichen Hans-Jürgen und Dieter Steinbach heimlich in die Aula, Dieter ans Klavier, Hans-Jürgen ans Schlagzeug und beide spielten gemeinsam einen alten Titel "Sheik of Araby" aus Dieters Notensammlung. Damit war die Band inklusive Namen geboren und später die Schule um ein tolles Zildjian-Becken ärmer...

Die erste Anlage
Die Gründung der Band brachte unser bisheriges Leben völlig durcheinander. Schule ? Oh die mußte kurz mal warten...
Eltern ? Sehr unterschiedliche Reaktionen von "Toll" bis "Ei so Neeschermussig"... Wir selbst ? "Keine Zeit, muß üben..." Unser Leben war komplett auf den Kopf gestellt. Es gab nur noch dieses eine Thema. Anfangs übten Hans-Jürgen und Dieter noch alleine bei Dieters Eltern mitten in der Wohnung. Zugegeben, die Anlage war noch sehr bescheiden, bestand aus Dieters altem Klavier, einer ausrangierten Marschpauke vom Freudenberger Spielmannszug, einer Marschtrommel/Snare auf Bastelständer und einem Becken mit Lederschlaufe, das einfach an einer Stehlampe angehängt wurde. Aber es war schön - und schon schön laut. Nach einigen Wochen kam dann auch noch das besagte Zildjian-Becken hinzu...

Der Übungsraum
Irgendwann war dann alles klar. Bernd, Hermann und Erich waren überredet und Hermanns Vater war bereit, uns in der Jugendherberge einen Raum zur Verfügung zu stellen, der bis dato nur als Zwischenlager für Reservebetten und Matratzen gedient hatte. Das Schlagzeugfragment wurde umgesiedelt, Dieters Mutter griff tief in die Schatulle und spendierte ihrem Sohn eine graue Hohner-Orgel mit 2 Soundvarianten und abschraubbaren Nierentischbeinen.

Die erste Bassanlage
Bernd schleppte als ersten Bassverstärker Vaters altes Röhrenradio mit "magischem Auge" an, das bei ca. 5 Watt Radio-Leistung nach kurzer Zeit nur noch "hemofektisch" zuckte... Daß der kleine Ovallautsprecher diese Quälerei bis zum Ende durchgestanden hat, ist bis heute noch ein Rätsel.

Das Schallwand-Prinzip
Von da ab wurde in der Friedhofsgärtnerei am Nordfriedhof malocht, was das Zeug hielt. Für 2,50 DM pro Stunde wurde fast der gesamte Friedhof umgegraben und tonnenweise Laub zusammengerecht. Ziel war ein russischer 35-Watt-3-Kanal-Militärverstärker aus dem Elektronik-Katalog plus Selbstbau-Lautsprecher nach einem alle physikalischen Grundlagen negierenden Schallwandprinzip. Aber wer sonst hatte schon eine nach hinten offene Schallwand vor der Orgel, damit waren wir die erste Band mit PA-Box fürs Publikum bei gleichzeitig nach hinten strahlendem Kontrollmonitor...

Die Selbstbau-Boxen
Aus einer Schallwand wurden zwei, dann umgebaut in zwei liegende Gitarren/Orgel/Bass-Boxen mit Nierentischbein-Optik und grünem (?) Stoff bespannt. Kabel wurden natürlich auch selbst gelötet (fertige Gitarrenkabel mit zum Russenverstärker passenden 5-Pol-Diodenstecker gabs im Musikfachhandel nicht, die hatten nur so komische mit an beiden Seiten Klinkenstecker dran...)

Der erste Auftritt
Den beiden Gitarristen wurden die wichtigsten Griffe beigebracht, und nach einigen Wochen (in denen der Herbergsvater mehrfach einem Kreislaufkollaps nahe war) durften wir unser gesamtes Repertoire aus 5 Titeln einen ganzen Abend lang im Speisesaal wiederholen, eine ausgelassene Jugendaustauschtruppe hatte zum Tanz geladen...

Wozu ein Lötkolben gut ist
Jeder Geburtstag wurde mit Spannung erwartet, damit wurde das Equipment Stück für Stück hochgerüstet. Eine Bassgitarre, eine Elektrogitarre, Mikrofone mit Ständer, ein gebrauchtes Schlagzeug und Vater Fackler durfte zeigen, wie man ein 1000-Teile-RIM-Verstärkerpuzzle in ein schwarzes 45-Watt-Röhren-Trumm namens "Gigant" verwandelt.

Das erste Beatfestival
Einige Wochen später ein Angebot, wie man es nur selten bekommt: Die Stadt Wiesbaden hatte es versäumt, ein Beatfestival durchzuführen, um den Wiesbadener Stadtsieger nach Kassel zur hessischen Endausscheidung zu schicken. Kurzerhand bekamen wir den Auftrag, die Stadt würdevoll zu vertreten. Wir übten 3 Titel bis zum Umfallen und fuhren hin, Ergebnis 6. Platz von mehr als 20 Bands, das war mehr, als wir jemals geträumt hatten.

Der Anhänger kommt zum Einsatz
Irgendwann durften wir in Laurenburg an der Lahn spielen in einem völlig beknackten Saal oberhalb einer völlig beknackten Kneipe mit einem völlig beknackten Wirt (Der Hihihi-Dellmann, stets besoffen, hier wurde wahrscheinlich das Stiefelsaufen erfunden und zur Perfektion gebracht), Vater Becker mußte per PKW mit Hänger im strömenden Regen das wertvolle Equipment anliefern und wir bekamen so langsam Routine im Plakate-Kleben. Sylvester bekamen wir vom Gasthof Grossmann in Wehen den Saal im Nebengebäude gestellt, Vater Becker durfte wieder Spediteur spielen und die Buben spielten erstmals vor einem 150-köpfigen Publikum. Der Durchbruch !

Die Reise nach Hahn
Naja, und so kamen langsam die richtig guten Zeiten, als wir Sonntag mittags von unserer Wochenenddatscha in Laurenburg (Dank an Familie Becker) zu fünft in Bernds 500er Fiat (geniale Kiste mit offenem Stoffklappdach, weil so jede Menge Beine nach außen verlegt werden konnten) bis zur Turnhalle (Taunusstein-)Hahn die unermüdlichen Fan-Trupps durchzählen konnten: "Eine Mack fuffzisch, Drei Mack, Vierfuffzisch, Sex, sibbefuffzisch, Neun, ei des werd gut heut !"
 

Spielverderber Bundeswehr
Irgendwann war dann erstmal alles zu Ende: Dieter hatte die Einberufung zur Bundeswehr nicht verhindern können. Erst einige Monate später wurde sein Antrag auf Befreiung vom Wehrdienst anerkannt. Aber da war schon alles zu spät. Die Sheiks waren erstmal ohne Dieter, Lead-Sänger, Keyboarder, Frontmann, alles war weg.

Die erste Band mit Doppelschlagzeug
Eine Zeit der Experimente begann. Mit Kurt Hummel, der gegenüber von Bernd wohnte, kam ein zweiter Schlagzeuger hinzu. Hans-Jürgen hatte in den vergangenen Jahren parallel zum Schlagzeug auch Gitarrespielen gelernt (er mußte schließlich für die beiden Gitarristen -Teil der arbeitenden Bevölkerung- nach der Schule - oft auch während - aus den Platten das raushören und einüben, was abends die beiden Gitarristen spielen sollten). Damit gab es einmal eine Besetzung aus zwei Gitarren plus Bass plus Schlagzeug, andere Titel wurden mit zwei Schlagzeugen synchron und achtelversetzt plus Bass plus Gitarre eingeübt, ein Höllensound, was das Schlagzeug betrifft !

Mathou kommt
Später dann kam Rainer Matuschek mit Keyboard und Leadgesang dazu. Seine stimmliche und musikalische Richtung brachte wieder neue Titel in die Band und eine zweite "Aera Sheiks" begann. Dieter gründete etwa zur gleichen Zeit die "Tobby-Button" und zog mit dieser neuen Hard-Rock-Truppe sehr erfolgreich durch ganz Hessen und Rheinland-Pfalz.
 
 
Filmmusik
Etwa 1972 lösten sich zeitgleich sowohl die "Sheiks II" als auch "Tobby-Button" auf. Restfragmente beider Bands machten zwar weiter, aber die guten Zeiten waren vorbei. Dieter und Hans-Jürgen -zeitweise auch Bernd- kamen wieder für ganz verschiedene Projekte zusammen. Claus Seiller kam als Schlagzeuger hinzu. Filmmusiken für Industriefilme und Werbung entstanden.

Kings Road
Später wurden Clyde Schröder (heute Bassmann bei Stoned Age) und Freundin "Maus" eingewunken, eine synthetische Band namens KingsRoad wurde vom Plattenlabel CBS initiiert, eine Single wurde eingespielt, jeder Übungsabend mit Hamburgerfressen im Nonnenhof in Biebrich beendet, das ganze wieder aufgelöst und irgendwann war auch das vorbei.



Die grosse Treck
Dieter machte sich beruflich selbständig und zog nach Stuttgart, Hans-Jürgen wanderte nach Bayern in die dortige Hauptstadt München aus. Hermann verschlug es ebenfalls beruflich nach Basel ans Theater, nur Bernd und Fredy blieben Wiesbaden treu.

Man sieht sich
Wenn dann mal alle zu gemeinsamen Treffen wg. Geburtstag, Urlaubswochenende etc. zusammenkamen, wurde wehmütig von den alten Zeiten geschwärmt. Bis eines Tages Dieter auf die Idee mit einer gemeinsam eingespielten CD kam. Damit gab es wieder einen musikalischen Bezugspunkt. 2001 wurde die CD "For You" in Eigenregie hergestellt und Live im Cafe Waldhaus vorgestellt, 2002 folgte das gleiche mit der Tobby-Button-CD "Heart Turns To Stone", die ebenfalls auf einer Release-Party mit gemischter Live-Band im Parzival, Taunusstrasse vorgestellt wurde.

Die Sheiks-Revival-Group
Anfang 2005 entstand dann die Idee eines echten Live-Auftritts der Sheiks anläßlich der 100-Jahr-Feier unserer alten Leibniz-Schule. Mit kleiner Umbesetzung wegen Hermann entstand die Sheiks-Revival-Group...

Der unfassbare Schock
Nach nicht abklingenden Krankheits- und Schwächesymptomen kam Dieter Mitte Februar 2006 mit akuten Problemen in eine Spezialklinik in Stuttgart. Er hat das Bewusstsein nicht mehr wiedererlangt und verstarb am 7. März 2006.

Wir alle versuchen, das Ganze zu verstehen. Es fällt uns schwer. Wir werden ihn nicht vergessen. Und wir haben allgemein Zustimmung dafür bekommen, mit kleinerer Besetzung noch einmal weiterzumachen.