Die GründungAngefangen hatte alles mit einer Big-Band-Probe in der Aula der Leibnizschule, in die Hans-Jürgen zufällig hineinplatzte. Klassenkamerad Bernd Hassenpflug war dort Schlagzeuger und es faszinierte ihn, wie jemand mit Händen und Füßen zur gleichen Zeit völlig unterschiedliche Bewegungen machen konnte. Hans-Jürgen durfte nach der Probe einmal ans Schlagzeug, es funktionierte auf Anhieb und seine Zukunft war vorbestimmt: "Du wirst Schlagzeuger". Tage später schlichen Hans-Jürgen und Dieter Steinbach heimlich in die Aula, Dieter ans Klavier, Hans-Jürgen ans Schlagzeug und beide spielten gemeinsam einen alten Titel "Sheik of Araby" aus Dieters Notensammlung. Damit war die Band inklusive Namen geboren und später die Schule um ein tolles Zildjian-Becken ärmer...
Die erste AnlageDie Gründung der Band brachte unser bisheriges Leben völlig durcheinander. Schule ? Oh die mußte kurz mal warten...
Eltern ? Sehr unterschiedliche Reaktionen von "Toll" bis "Ei so Neeschermussig"... Wir selbst ? "Keine Zeit, muß üben..." Unser Leben war komplett auf den Kopf gestellt. Es gab nur noch dieses eine Thema. Anfangs übten Hans-Jürgen und Dieter noch alleine bei Dieters Eltern mitten in der Wohnung. Zugegeben, die Anlage war noch sehr bescheiden, bestand aus Dieters altem Klavier, einer ausrangierten Marschpauke vom Freudenberger Spielmannszug, einer Marschtrommel/Snare auf Bastelständer und einem Becken mit Lederschlaufe, das einfach an einer Stehlampe angehängt wurde. Aber es war schön - und schon schön laut. Nach einigen Wochen kam dann auch noch das besagte Zildjian-Becken hinzu...
Der ÜbungsraumIrgendwann war dann alles klar. Bernd, Hermann und Erich waren überredet und Hermanns Vater war bereit, uns in der Jugendherberge einen Raum zur Verfügung zu stellen, der bis dato nur als Zwischenlager für Reservebetten und Matratzen gedient hatte. Das Schlagzeugfragment wurde umgesiedelt, Dieters Mutter griff tief in die Schatulle und spendierte ihrem Sohn eine graue Hohner-Orgel mit 2 Soundvarianten und abschraubbaren Nierentischbeinen.
Die erste BassanlageBernd schleppte als ersten Bassverstärker Vaters altes Röhrenradio mit "magischem Auge" an, das bei ca. 5 Watt Radio-Leistung nach kurzer Zeit nur noch "hemofektisch" zuckte... Daß der kleine Ovallautsprecher diese Quälerei bis zum Ende durchgestanden hat, ist bis heute noch ein Rätsel.
Das Schallwand-PrinzipVon da ab wurde in der Friedhofsgärtnerei am Nordfriedhof malocht, was das Zeug hielt. Für 2,50 DM pro Stunde wurde fast der gesamte Friedhof umgegraben und tonnenweise Laub zusammengerecht. Ziel war ein russischer 35-Watt-3-Kanal-Militärverstärker aus dem Elektronik-Katalog plus Selbstbau-Lautsprecher nach einem alle physikalischen Grundlagen negierenden Schallwandprinzip. Aber wer sonst hatte schon eine nach hinten offene Schallwand vor der Orgel, damit waren wir die erste Band mit PA-Box fürs Publikum bei gleichzeitig nach hinten strahlendem Kontrollmonitor...
Die Selbstbau-BoxenAus einer Schallwand wurden zwei, dann umgebaut in zwei liegende Gitarren/Orgel/Bass-Boxen mit Nierentischbein-Optik und grünem (?) Stoff bespannt. Kabel wurden natürlich auch selbst gelötet (fertige Gitarrenkabel mit zum Russenverstärker passenden 5-Pol-Diodenstecker gabs im Musikfachhandel nicht, die hatten nur so komische mit an beiden Seiten Klinkenstecker dran...)
Der erste AuftrittDen beiden Gitarristen wurden die wichtigsten Griffe beigebracht, und nach einigen Wochen (in denen der Herbergsvater mehrfach einem Kreislaufkollaps nahe war) durften wir unser gesamtes Repertoire aus 5 Titeln einen ganzen Abend lang im Speisesaal wiederholen, eine ausgelassene Jugendaustauschtruppe hatte zum Tanz geladen...
Wozu ein Lötkolben gut istJeder Geburtstag wurde mit Spannung erwartet, damit wurde das Equipment Stück für Stück hochgerüstet. Eine Bassgitarre, eine Elektrogitarre, Mikrofone mit Ständer, ein gebrauchtes Schlagzeug und Vater Fackler durfte zeigen, wie man ein 1000-Teile-RIM-Verstärkerpuzzle in ein schwarzes 45-Watt-Röhren-Trumm namens "Gigant" verwandelt.
Das erste BeatfestivalEinige Wochen später ein Angebot, wie man es nur selten bekommt: Die Stadt Wiesbaden hatte es versäumt, ein Beatfestival durchzuführen, um den Wiesbadener Stadtsieger nach Kassel zur
hessischen Endausscheidung zu schicken. Kurzerhand bekamen wir den Auftrag, die Stadt würdevoll zu vertreten. Wir übten 3 Titel bis zum Umfallen und fuhren hin, Ergebnis 6. Platz von mehr als 20 Bands, das war mehr, als wir jemals geträumt hatten.
Der Anhänger kommt zum EinsatzIrgendwann durften wir in Laurenburg an der Lahn spielen in einem völlig beknackten Saal oberhalb einer völlig beknackten Kneipe mit einem völlig beknackten Wirt (Der Hihihi-Dellmann, stets besoffen, hier wurde wahrscheinlich das Stiefelsaufen erfunden und zur Perfektion gebracht), Vater Becker mußte per PKW mit Hänger im strömenden Regen das wertvolle Equipment anliefern und wir bekamen so langsam Routine im Plakate-Kleben. Sylvester bekamen wir vom
Gasthof Grossmann in Wehen den Saal im Nebengebäude gestellt, Vater Becker durfte wieder Spediteur spielen und die Buben spielten erstmals vor einem 150-köpfigen Publikum. Der Durchbruch !
Die Reise nach HahnNaja, und so kamen langsam die richtig guten Zeiten, als wir Sonntag mittags von unserer Wochenenddatscha in Laurenburg (Dank an Familie Becker) zu fünft in Bernds 500er Fiat (geniale Kiste mit offenem Stoffklappdach, weil so jede Menge Beine nach außen verlegt werden konnten) bis zur Turnhalle (Taunusstein-)Hahn die unermüdlichen Fan-Trupps durchzählen konnten: "Eine Mack fuffzisch, Drei Mack, Vierfuffzisch, Sex, sibbefuffzisch, Neun, ei des werd gut heut !"